Mittwoch, 5. März 2008

Allways take the weather with you...

Ob Kachelmann abends zu Hause sitzt und sich selber durchzappt?

Okay, das ist ein langer Beitrag, aber es ist ja mein Blog :-)

Hintergrund: ich schrieb an das Pressebüro der Kampagne Du bist Deutschland. Und ich erhielt Antworten.

Meine Mail am 11.01.2008:

Sehr geehrte Damen und Herren,
Zunächst hatte ich mich über die Kampagne gefreut, schon vor der WM. Ich habe
sie in Diskussionen positiv verargumentiert, auch wenn um mich herum einige
kritischen Stimmen zu hören gewesen waren.

Aber was da jetzt gesendet wird, macht mich wütend und traurig.

In Ihrem Manifest stehen zwei Sätze:
"...Du hast Mutter und Vater – und brauchst doch das ganze Land, um glücklich aufzuwachsen..."

sowie

"...Du machst aus zwei Menschen eine Familie,..."

Ich halte diese Sätze für eine kräftige Ohrfeige in die Gesichter all derer, die nicht die alte Familienversion der CDU/CSU leben.
Wie können Sie so dermaßen an der gesellschaftlichen Realität in Deutschland
vorbeisehen?

Vielen Dank, dass Sie mir auf voller medialer Breitseite verdeutlicht haben,
dass ich wohl doch nicht Teil von Deutschland bin, da ich nicht MutterVaterKind lebe.

Ich interpretiere es so, dass dieses demokratische, angeblich an Gleichheitsgrundsätze gebundene Land deutlich Familienkonstellationen bewertet. In dieser Kampagne geht es meiner Meinung nach nicht vornehmlich um Kinderglück, wie Sie propagieren, sondern um Erhalt der VaterMutterKind-Familie.
Haben Sie Ihrem Kind mal die semantische Feinheit von "VaterMutterKind" ungleich "verheiratet mit Mann und Stiefkind" ungleich "MutterKind" oder ungleich "VaterVaterKind" erklärt? Marketingmediale Spitzfindkeiten haben da keinen Platz.

Mit freundlichen Grüßen
bartynova


Antwortmail 1 vom "Du bist Deutschland-Kampagnenbüro" am 21.02.08 :

Sehr geehrte Frau Bartynova,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 11. Januar.
Sie beziehen sich darin auf den TV-Spot. Selbstverständlich sind wir nicht der Meinung, dass nur eine Mutter, ein Vater und ein Kind eine Familie ausmachen. Wir meinen, dass ein Kind z.B. Mutter und Vater hat, aber doch das ganze Land braucht, um glücklich aufzuwachsen. Der Schwerpunkt liegt also auf dem Land –Deutschland (“Du bist Deutschland”). Doch in den meisten Fällen hat jedes Kind eine Mutter und einen Vater, weshalb sie auch in dieser “klassischen Konstellation” im Spot erwähnt werden. Damit werden jedoch nicht andere Familienmodelle ausgeschlossen oder diskriminiert. Mit der Kampagne wollen wir diese Thematik jedoch auch nicht in den Mittelpunkt stellen. Vielmehr möchten wir eine gesellschaftliche Auseinandersetzung zum Thema Kinderfreundlichkeit in Deutschland fördern und damit natürlich auch die Diskussion über schwierige Themen und Missstände nicht aussparen.

Wenn Sie die Kampagne falsch verstanden haben, tut uns das sehr leid. Sofern Sie noch fragen haben, können Sie mich gern anrufen oder mir schreiben.

Mit freundlichen Grüßen aus dem Kampagnenbüro
Liese Greulich


Sowie Antwortmail 2 von "Du bist Deutschland-Kampagnenbüro" am 25.02.08, warum auch immer ich zwei Antworten bekomme...

Sehr geehrte Frau Bartynova,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 15. Januar.
Mit der neuen Kampagne von “Du bist Deutschland” soll für mehr Kinderfreundlichkeit in Deutschland geworben werden. Dabei wollen wir keineswegs suggerieren, dass nur “Hetero-Familien” gute Familien sind. Der Schwerpunkt liegt auf den Kindern – wer die Eltern sind, ist dabei eher nachrangig.
Die Kampagne soll also vielmehr eine gesellschaftliche Auseinandersetzung zum Thema Kinderfreundlichkeit in Deutschland fördern.
Dabei gibt sie jedem Menschen die Möglichkeit sein Engagement für Kinder zu zeigen und damit andere zu motivieren ebenfalls etwas zu tun. Vielleicht gelingt es durch einen positiven Stimmungswandel, dass alle zukünftig mehr auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen achten und schwierige Situationen besser erkannt werden oder mehr Aufmerksamkeit bekommen.
Selbstverständlich wurden sich im Vorfeld der Kampagne, z.B. zusammen mit Experten, viele Gedanken gemacht, um u.a. auch Problemen vorzubeugen. So war es uns z.B. sehr wichtig, im Spot auch ausländische oder behinderte Kinder zu zeigen, um zu demonstrieren, dass natürlich auch sie Deutschland sind.
Uns ist jedoch auch bewusst, dass eine so große Kampagne nicht nur Fürsprecher hat – und dabei geht es uns vor allem um eines: um die Kinder.
Wir hoffen, Ihnen auch.

Mit freundlichen Grüßen aus dem Kampagnenbüro
Liese Greulich


Ich konnte nicht umhin, zu antworten, unter der Mithilfe von Pat aus Thüringen. Achtung, die Mail ist ziemlich lang, aber die darauf folgende Antwort von Frau Greulich ist es wert:

Sehr geehrte Frau Greulich,

Sie schreiben: "Wenn Sie die Kampagne falsch verstanden haben, tut uns das sehr leid."
Also diesen Spruch finde ich ja super. Ich bin also zu blöde, diese Anzeigen nicht zu verstehen.
Das heißt aus meiner Sicht als Sendungdempfängerin schlichtweg: Ziel der Kampagne ist verfehlt. Ich bin ein ehrenamtlich engagierter Bestandteil dieser Gesellschaft, weiblich, mit Abi, Hochschulabschluß und unbefristeter Festanstellung - wenn ich das nicht verstehe, wer ist denn dann gewünschte Zielgruppe für diese Kampagne?

Für Marketingleute ist das doch das schlechteste, was passieren kann, oder habe ich da was verpasst? Die Reaktion verwundert mich doch sehr, und die Betrachtungsweise finde ich auch eigenartig. Anstatt zu überdenken, argumentiert Sie hier mit meinem falschen Verständnis. Sie deinstrumentalisieren damit die Rolle der Kampagnen-Macher komplett. Der Fehler liegt klar bei mir.
Wie können Sie bei so einer Kampagne nur so argumentieren? Sie sagen mir mit Ihrer Antwort: "Nicht wir haben etwas falsch ausgedrückt, sondern Sie sind zu unintelligent es zu verstehen, und das tut uns sehr leid, nur damit Sie das auch wissen."

Sie schreiben weiter: "Vielmehr möchten wir eine gesellschaftliche Auseinandersetzung zum Thema Kinderfreundlichkeit in Deutschland fördern."

Das finde ich herrlich. Komisch, das dann sogar der LesbenSchwulenVerbandDeutschland (LSVD) an anderer Stelle initiieren muss, weil die Kampagne wohl irgendwie andere Auseinandersetzungen mit herauf beschwört.

Soeben per Email über den LSVD-Verteiler eingetrudelt stell ich das hier mal auszugsweise für Sie rein, falls das bei Ihnen noch nicht angekommen ist:

“... In einer der Anzeigen heißt es u. a.: Deine Freunde nennst Du “Digger”,
deinen Französischlehrer “echt krass” und uns manchmal “voll schwul”. Ist
das jetzt was Gutes? Eigentlich auch egal. Denn dich: Finden wir “dufte”.

Wir (der LSVD) hatten das Kampagnenbüro gebeten, zu der Aussage erläuternd Stellung zu nehmen. Denn egal ist es doch nicht, ob schwul was Gutes ist oder eben nicht, oder?
Weiter hatte der LSVD ausgeführt: “Schwul heißt zunächst einmal schwul, nicht
mehr und nicht weniger. Dass dieses für eine sexuelle Orientierung stehende
Adjektiv gern auf dem Schulhof als Schimpfwort gebraucht wird, ist
hinlänglich bekannt. Gerade auch in Kombination mit Substantiva wie “Sau”
oder ähnliches erfreut es sich großer Beliebtheit. Dagegen richtet sich ein
Großteil der schwullesbischen Aufklärungsarbeit in diesem Land, die, so
meine ich, durch Ihre Anzeige konterkariert werden könnte.” ...”


Und jetzt die Antwort aus Ihrem Kampagnenbüro:

“... Der Kampagnensprecher hat sich für die Sensibilisierung und Kritik bedankt. Die Kampagnenmacher stimmen zu, dass der Text des Anzeigenmotivs missverständlich ist und zu verstärkter Ausgrenzung führen könne. Deshalb werde man den Text des Anzeigenmotivs austauschen. ...” (Klaus Jetzt am 12.02.2008 über den LSVD-Verteiler)

Noch ein Hinweis:
Nachdem wir zu zweit alle Bilder der Kampagne durchgeschaut haben, kommen wir zu folgender Aufstellung:

Jungendarstellungen (eindeutig und mutmaßlich)

1. Anzeige 1 - Du machst uns wahnsinnig!
2. Anzeige 2 - Du bist bald 18.
3. Anzeige 3 - Du denkst immer nur an dich.
4. Anzeige 4 - Du könntest langsam mal ausziehen.
5. Anzeige 5 - Du sagst jetzt „fett” statt „cool”.
6. Anzeige 6 - Du lebst in deiner eigenen Welt.
7. Anzeige 9 - Du bringst unser ganzes Leben durcheinander.
8. Anzeige 11 - Du bist um sieben zu Hause!
9. Anzeige 13 - Du wirst irgendwann Präsident von Europa.
10. Anzeige 16 - Du solltest ein Einzelkind bleiben.
11. Anzeige 17 - Du misst 1,25 Meter.
12. Anzeige 19 - Du hast Pickel im Gesicht.
13. Anzeige 22 - Du lernst von uns, was du nicht darfst.
14. Anzeige 23 - Du machst uns nichts als Ärger.
15. Anzeige 25 - Du bringst nicht nur Trommelfelle zum Platzen.
16. Anzeige 26 - Du hast Omas Lieblingsvase runtergeschmissen.

Mädchendarstellungen (eindeutig und mutmaßlich)

1. Anzeige 7 - Du singst fürchterlich.
2. Anzeige 14 - Du siehst aus wie eine Presswurst mit dicken Armen und Beinen.
3. Anzeige 15 - Du bist so ein süßes kleines Mädchen.
4. Anzeige 16 - Du solltest ein Einzelkind bleiben.
5. Anzeige 17 - Du misst 1,25 Meter.

Nicht eindeutig indentifizierbar bzw. mutmaßlich implizierend

1. Anzeige 8 - Du stinkst.
2. Anzeige 10 - Du hast null Talent.
3. Anzeige 12 - Du warst ein Unfall.
4. Anzeige 18 - Du lässt uns keine freie Minute.
5. Anzeige 20 - Du hilfst uns beim Renovieren.
6. Anzeige 21 - Du bist ein echter Rotzlöffel.
7. Anzeige 24 - Du bist dick, hast eine Glatze und keine Zähne im Mund.
8. Anzeige 27 - Du glaubst noch an den Weihnachtsmann.
9. Anzeige 28 - Du bist Action pur, ohne dich hätten wir viel mehr Zeit.

Das ergäbe dann folgendes Ergebnis:

16x Jungs
5x Mädchen,
begleitet von
9x Mal nicht eindeutiger Darstellung

Selbst wenn die als nicht eindeutig klassifizierten Anzeigen alles Mädchen sind, dann wird der weibliche Teil der Gesellschaft trotzdem schön unter den Tisch gekehrt.
Bitte zählen Sie nach, falls ich mal wieder die Kampagnenbilder nicht verstanden haben sollte.

Ehrlich gesagt, wundert mich bei der Kampagne nichts mehr. So sachlich und argumentativ inkorrekt, wie Sie mir geantwortet haben, würde ich glatt böse Absicht unterstellen, wenn ich nicht die Vermutung hätte, dass schlichtweg vieles nicht überdacht und einfach vom Fleck weg verarbeitet wurde. Oder gab es eigentlich ein anderes Ziel hinter der Kampagne, so eine Art "hidden agenda" zur Förderung der guten, alten Rollen von vor 1965?

In der Schule gab es für solch eine Umsetzung einer Klausuraufgabe einen Satz: "Thema verfehlt, 6, setzen."

Mit freundlichem Gruß
bartynova


Und jetzt die Antwort von Frau Greulich vom 5.3:

Sehr geehrte Frau Bartynova,

nochmals vielen Dank für Ihre letzte Mail.
Offensichtlich habe ich Sie mit meiner Aussage verärgert, was mir sehr leid
tut. Selbstverständlich soll meine Aussage nicht bedeuten, dass Sie kognitiv
nicht in der Lage sind ,die Kampagne nicht zu verstehen. "Es tut uns leid"
meint an dieser Stelle, dass Sie die Kampagne/das Motiv anscheinend sauer
und wütend macht, obwohl sie, wenn anders interpretiert, den Menschen
einfach nur das Thema "Kinderfreundlichkeit" näher bringen und Freude machen
soll. Somit möchte ich weder behaupten, dass Sie kein "engagierter
Bestandteil dieser Gesellschaft" sind noch, dass der Fehler bei Ihnen liegt.
Allerdings sehen wir in der Kampagne, außer natürlich in dem
zurückgenommenen Motiv mit der missverständlichen Aussage, das Sie
ansprachen, keine Fehler, da wir von dem Thema und der Umsetzung überzeugt
sind.

Deshalb ist es natürlich auch nicht unser Anliegen Mädchen zu
vernachlässigen oder Rollenklischees zu bedienen - hinsichtlich des
unausgewogenen Geschlechterverhältnisses in den Anzeigen-Motiven müssen wir
Ihnen aber Recht geben.

Entscheidend für uns und die Kampagne ist der Gesamteindruck, der sich
sowohl aus dem TV-Spot als auch aus den Anzeigen-Motiven ergibt - die Motive
der Kampagne sind in einer Produktion entstanden (deswegen lassen sich viele
Motive wieder finden). Bei der Auswahl ist am Ende deshalb die Authentizität
der Motive ganz entscheidend. In dem TV-Spot hat dies nach den uns
vorliegenden Darstellerinformationen zu einem ausgeglichenen
Geschlechterverhältnis geführt hat.

Mit freundlichen Grüßen
L. Greulich


Das nenne ich mal eine nicht vorformulierte Antwort! Vielen Dank!

Wer sich selber zu Wort melden möchte:

Kampagnenbüro „Du bist Deutschland“
c/o fischerAppelt Kommunikation GmbH
Friedrichstraße 149
10117 Berlin
Tel.: (030) 726 146-735
Fax: (030) 726 146-725
pressebuero@du-bist-deutschland.de
www.du-bist-deutschland.de

bartynova

"Je länger man vor der Tür zögert, desto fremder wird man." (Franz Kafka)

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ich habe ja eher "still"...
ich habe ja eher "still" Anteil genommen - wünsch dir...
Sternenstaub - 17. Feb, 18:21
Alles Gute wünsche ich...
Alles Gute wünsche ich dir. Und danke, dass du einen...
testsiegerin - 16. Feb, 15:37

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