Miss Barty liest am Freitag Abend fliegend von Berlin nach Wien folgende Headline in der Berliner Zeitung (ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle an Air Berlin für ihren freundlichen und unentgeltlichen Zeitungs- und Snackservice):
Achsoja, klar, Lesben können ihre Kinder ja gefälligst selber kriegen; eine von den Zweien wird ja hoffentlich fruchtbar und offen genug sein, um sich aus dem Weltall beschwangern zu lassen.
ich hab' keinen bock mehr auf leserinnenbriefe schreiben
...merke ich schon wieder, dass ich
a) immer noch betroffener bin, als ich dachte, und dass ich
b) mich schwertue, das auszudrücken, was ich meine.
Aber bitte, ich versuch's dennoch.
In Berlin steht wieder der Christopher Street Day an.
Das große schwullesbische Straßenfest war schon letztes Wochenende.
So ist das jedes Jahr in Berlin, seit 20 oder was Jahren: die zweite Junihälfte ist vollgestopft mit schwullesbischen/queeren Veranstaltungen.
Die Presse hat immer berichtet, und ich habe mich immer geärgert.
"Schwulenparade", "Schwulendemo", Schwulenhochzeit" - ich bin mit dem Leserbrief- und -emailschreiben gar nicht nachgekommen.
Denn mir ist es ein Anliegen, nicht schwul genannt zu werden. Weil ich nämlich den Begriff "schwul" als sehr männlich besetzt empfinde. Und ich bin nicht männlich, ergo nicht schwul.
Ich weiß nicht, warum das Nichtheterosexuelle verbal so stark in "männliches" und "weibliches" aufgeteilt wird. Historisch gibt es dafür bestimmt einen Grund, ich kenne ihn nicht. Was den täglichen Sprachgebrauch betrifft, ist es de fakto so:
homosexuelle Männer = schwul, homosexuelle Frauen = lesbisch.
Nicht dass mich das persönlich noch groß interessieren würde. Mir ist es inzwischen völlig egal, wer wen wie liebt und unter welchem Label. Ich werde hauptsächlich von außen immer wieder daran erinnert, dass ich nicht mehrheitlich kompatibel liebe und lebe.
Mir ist es allerdings nicht egal, dass ich im öffentlichen Bewusstsein nicht vorkomme. Es ist mir auch nicht egal, dass Homosexualität bzw. Nichtheterosexualität in der Öffentlichkeit hauptsächlich durch schwule Klischees abgebildet wird. Wo bleibt denn da die Vielfalt?
Denn so empfinde ich es, wenn ich unter einem Adjektiv subsummiert werde, dass massiv männlich besetzt ist. Ich finde mich da überhaupt nicht wieder. Nicht dass ich darauf Wert lege, gelabelt zu werden. Aber ich möchte zumindest ansatzweise als Bestandteil, als lebenswerte Variante dieser Gesellschaft wahrgenommen werden.
Ergo Leserbriefe und -mails.
Dieses Jahr hat der Berliner Sender "Radio Eins" endlich, endlich eine Formulierung gefunden, die auf dem Wege ist, allgemeiner und umfassender zu sein als die bisherigen: "Stück für Stück ins Homoglück".
Danke, dass ihr nicht mehr "Schwulenglück" sagt, danke. Mit "queer" und anderen Genderdiskussionen hat das zwar noch nicht viel zu tun, aber dennoch: danke.
In meinem Arbeitsortgebäude sitzen ca. 300 Leute. Ich kenne nicht alle, naturellement. Außer mir weiß ich noch von einer weiteren Frau, die mit Frauen liebt. Keine weiteren in Sichtweite.
Gestern bin ich zwecks Kurzmeeting in einen Gebäudeteil, in dem ich noch nie vorher war. Und merke allmählich, wie ich ... angestarrt werde, quer durch den Raum, anders kann ich es nicht sagen. Sitzt da eine Babylesbe wie aus dem Berliner Bilderbuch - und kriegt sich nicht mehr ein. Glotzt mich an wie 'ne Große, janz uffjeregt.
Niedlich, ich war auch mal so.
Im Straßenbild falle ich bestimmt nicht als Lesbe auf.
Aber hier, bei dem Arbeitgeber, mit den ganzen Muttikolleginnen um mich/uns herum, da erkennt frau sich dann doch :-)
Und wieder einmal lerne ich: der Kontext macht's.
... wenn die beste Freundin mir vorschlägt, dass ich getrost alleinerziehend ein Kind kriegen könne UND gleichzeitig singen gehen könne, denn sie würde mein Kind mit in Obhut nehmen und mit uns beiden Familie machen.
Das mag ich an meiner besten Freundin: sie hat so Grundeinstellungen wie "Das wird sich alles finden", und "Es gilt das gesprochene Wort".
Keine Ahnung, ob ich dieses Angebot, oder Vision, oder Möglichkeit, wie auch immer ich das nennen soll, annehme. Aber es ist schön zu wissen, dass sie es ernst meint mit der Idee, dass wir das Thema Kinder, ihre wie meine fiktiven, auch irgendwie zusammen wuppen könnten.